Rechtsprechung: BFH äußert sich zur Kaufpreisaufteilung in Immobilien-Kaufverträgen und zur vermögensverwaltenden Gesellschaft (VV-GbR)

Der BFH hat sich in seinem Urteil vom 29.10.2019, IX R 38/17 (veröffentlicht 14.5.2020) zur Erfassungstechnik (Ergänzungsrechnung) von Anschaffungskosten in der vermögensverwaltenden GbR (VV-GbR) geäußert, einige Details zur Abschreibung bei Haftungsübernahme geklärt sowie das Thema "Kaufpreisaufteilung in Immobilien-Kaufverträgen" recht ausführlich behandelt.

 

In diesem äußerst interessanten Urteil hat sich der BFH zu verschiedenen Themen geäußert. Praxisrelevant sind sie alle, zum Teil wartete die Beraterschaft geradezu auf die Ansichten des obersten Steuergerichts. Nachfolgend die Leitsätze und einige Kommentare dazu:

 

(Original-Leitsätze sind jeweils in fett dargestellt)

1. Eine GbR ist für die Einkommensteuer insoweit Steuerrechtssubjekt, als sie in der gesamthänderischen Verbundenheit ihrer Gesellschafter Merkmale eines Besteuerungstatbestands verwirklicht, welche den Gesellschaftern für deren Besteuerung zuzurechnen sind.

 

Der BFH rekurriert hier auf bereits bekannte Rechtsprechung aus dem Großen Senat (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 25.06.1984 - GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, unter C.III.3.a).

 

2. Entsteht einem Gesellschafter einer vermögensverwaltend tätigen GbR Aufwand für den Erwerb seiner Gesellschafterstellung, sind diese Anschaffungskosten in einer separaten Ergänzungsrechnung zur Überschussrechnung der Gesellschaft zu erfassen und auf die Wirtschaftsgüter des Gesamthandsvermögens zu verteilen. Die steuerrechtliche Bewertung der in einer solchen Ergänzungsrechnung ausgewiesenen Rechnungsposten ist grundsätzlich nicht von der Handhabung in der Gesamthandsbilanz abhängig.

 

Der BFH nimmt hier Bezug auf das Vorgehen bei gewerblichen Mitunternehmerschaften, bei denen mit sog. Ergänzungsbilanzen gearbeitet wird. Ausdrücklich werden diese Grundsätze mit der (soweit ersichtlich) neuen "Ergänzungsrechnung" auf die vermögensverwaltende Personengesellschaft übertragen:

 

"Die im Bereich der Gewinnermittlung einer Mitunternehmerschaft geltenden Grundsätze sind im Fall des Erwerbs eines Anteils an einer vermögensverwaltend tätigen Personengesellschaft entsprechend anzuwenden" (Tz. II.2.b)bb))

 

Technisch werden in der Ergänzungsrechnung die Anschaffungskosten des Gesellschafters komplett abgebildet und mit der jeweiligen Restnutzungsdauer abgeschrieben (nicht nur eine "Mehrzahlung für stille Reserven"). Unseres Erachtens geht hier der BFH mit diesen Grundsätzen einen neuen Weg, der sich gegen eine einschlägige Verwaltungsanweisung (BMF-Schreiben vom 19.12.2016 in BStBl I 2017, 34, "Beispiel 1") richtet, da er ausdrücklich bestimmt:

 

"Nach diesen Grundsätzen ist die auf den neu eintretenden Gesellschafter entfallende AfA der Gesamthand auch nicht von der für die Ergänzungsrechnung errechneten AfA abzuziehen" (Tz. II.2.c)bb))

 

Wir erwarten, dass es insoweit einen Nichtanwendungserlass des Finanzministeriums geben wird, da sich danach regelmäßig höhere AfA-Werte ergeben.

 

3. Übernimmt der Erwerber mit einem Gesellschaftsanteil an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft auch das negative Kapitalkonto des Veräußerers, gehört der Betrag des Kapitalkontos nur insoweit zu den Anschaffungskosten des Erwerbers, als dieser durch die Übernahme tatsächlich wirtschaftlich belastet wird. Die bloße Übernahme einer in diesem Zusammenhang bestehenden unbeschränkten Haftung genügt hierfür nicht.

 

4. Ist für die Anschaffung (von Bruchteilen) eines zum Gesamthandsvermögen zählenden Grundstücks mit aufstehendem Gebäude ein Gesamtkaufpreis gezahlt worden, ist der Kaufpreis zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die AfA in Boden- und Gebäudewert aufzuteilen und ggf. auf seine Angemessenheit zu überprüfen. Ein von den Vertragsbeteiligten vereinbarter und bezahlter Kaufpreis ist grundsätzlich auch der Besteuerung zugrunde zu legen, sofern er zum einen nicht nur zum Schein getroffen wurde sowie keinen Gestaltungsmissbrauch darstellt und zum anderen das FG auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung von den das Grundstück und das Gebäude betreffenden Einzelumständen nicht zu dem Ergebnis gelangt, dass die vertragliche Kaufpreishöhe oder -aufteilung die realen Wertverhältnisse in grundsätzlicher Weise verfehlt und wirtschaftlich nicht haltbar erscheint.

 

Zunächst fixiert der BFH (wie bereits zuvor) die Anwendung des Sachwertverfahrens für Mietwohngrundstücke im Privatvermögen, weil "regelmäßig davon auszugehen ist, dass für den Erwerb neben Ertragsgesichtspunkten und der sicheren Kapitalanlage auch die Aussicht auf einen langfristigen steuerfreien Wertzuwachs des Vermögens ausschlaggebend ist". Die Anwendung des Ertragswertverfahrens ist ausnahmsweise möglich, "wenn es zum zutreffenderen Wert führt und die tatsächlichen Wertverhältnisse besser abbildet" (was genauer zu begründen wäre). Nur bei Grundstücken mit Vermietung zu Büro- und anderen gewerblichen Zwecken gibt es nach der Rechtsprechung einen Vorrang des Ertragswertverfahrens (weitere Nachweise der Rechtsprechung: siehe im Urteil Tz. II.3.cc)).

 

Anmerkung: die Argumentation des BFH in Ehren, leider gibt es damit einen Widerspruch zum Bewertungsgesetz, das bekanntermaßen zwingend das Ertragswertverfahren (allerdings für ErbSt/SchenkSt-Zwecke, § 182 Abs. 3 Nr. 1 BewG) auch für Mietwohngrundstücke vorsieht. Ein möglicher Schluss wäre hier, dass das Bewertungsgesetz hier (aus Rechtsprechungssicht offenbar) fehlerbehaftete Bewertungen anordnet - im Sinne der Einheit der Rechtsordnung wäre hier eine Abstimmung notwendig.

 

Daneben ist das grundsätzliche Verfahren in der Kaufpreisaufteilung aus rein technischer Sicht unseres Erachtens zweifelhaft: Die Rechtsprechung (ihr folgend die Verwaltung) bewertet für Kontrollzwecke oder generell bei fehlender Aufteilung das Grundstück im Sachwertverfahren, bildet daraus ein Verhältnis zwischen Gebäudewert und Boden(richt)wert und wendet dieses Verhältnis auf den Kaufpreis an. Wenn der Bodenrichtwert tatsächlich "richtigerweise" den Wert des unbebauten Bodens abbildet, kann logisch zwingend nur der Restbetrag des tatsächlichen Kaufpreises für das Gebäude angesetzt werden (sog. Residualverfahren).

 

In der praktischen Anwendung zeigt sich unseres Erachtens auch die Herkunft des rechnerischen Problems: Im Sachwertverfahren ergeben sich oft fast verblüffend niedrige Gebäudewerte und wenig Unterschied aus  veränderten Gebäudeparametern. Da nach Auskunft der Gutachterausschüsse in die Bodenrichtwerte ausschließlich tatsächlich erzielte Kaufpreise aus wirklich unbebauten Grundstücken einfließen, führt dies dazu zu einer Wertverschiebung der Bodenrichtwerte nach oben, wenn enge Märkte (in dichtbesiedelten Gebieten mit wenig von vorneherein freiem Bauland) bestehen: wirklich freies Bauland hat regelmäßig dort einen besonderen Charakter, weil es z.B. in besonders guten Lagen "geschaffen" wurde (Abriss oder Freigabe von Flächen). Entsprechend ist der run auf solche Grundstücke größer als  auf einen Bestandsbau, den man erst abreißen müsste, um in die gleiche Ausgangslage zu kommen. In späteren Bewertungen wird man dann aber wiederum diesen Preis umlegen und behaupten, das wäre der Boden "unter" jedem Gebäude in ähnlicher Lage wert - plus etwas für das Gebäude. Im engen Markt (wenig freie Flächen) schiebt sich dadurch allein rechnerisch der Preis nach oben, weil die - immer neu veröffentlichten - "zu engen" Marktdaten (aus freien Flächen) auf  Bestandsimmobilien umgelegt werden.Der Bodenrichtwert suggeriert also, er sei ein Marktwert für jeden Boden.

 

Eine Bewertung ist zwar gewissen Grenzen unterworfen, aber es zweifelt niemand daran, dass "richtige" Bewertungen möglich sind (sonst könnte man nie bewerten, weil es immer sinnlos wäre). In die Ermittlung der Bodenrichtwerte müssten daher Daten aus bebauten Grundstücken eingeführt werden, bei denen das Gebäude bewertet und vom Kaufpreis abgezogen wird. Die Gebäudewertermittlung ist unseres Erachtens sehr zeitverzögert zu starken Preisanstiegen, insoweit müsste dort stärker am aktuellen Nutzwert bewertet werden (was kostet ein gleich nutzbarer Ersatzbau in der Herstellung, nicht ein gleich alter "Ersatzbau"). Technisch würde sich dann (möglicherweise natürlich nur) ergeben, dass es keinen Unterschied in der Kaufpreisaufteilung nach dem Vorgehen Rechtsprechung/Verwaltung (Bewertung und Verhältnisbildung) und dem "natürlich-naiven" Residualverfahren gibt. Oder anders ausgedrückt: eine Bewertung im Sachwertverfahren hat dann als Ergebnis den tatsächlich gezahlten Kaufpreis, die Bewertung entspricht also dem Marktpreis.

 

 

Den Volltext des BFH-Urteils vom 29.10.2019, IX R 38/17 (VV-GbR, Kaufpreisaufteilung) finden Sie hier auf unserer Ressourcen-Seite.